Nachdem das Pharmaunternehmen Boehringer-Ingelheim dem Standort Bruck an der Leitha die Absage erteilt hat, ist fraglich, ob es in Hainburg eine Fachhochschule für Biotechnologie benötigt. Es wird befürchtet, dass eine Umwidmung des Geländes Kasernenareal/Exerzierplatz auf Grundlage des Baus einer Fachhochschule stattfindet, diese aber nicht rückgängig gemacht werden kann, falls keine Fachhochschule errichtet wird. Dies könnte zu einer Bebauung des Kasernenareals mit Wohnungen und Büroeinheiten in extremer Dichte und Höhe führen.
Ein Teil des Bildungscampus in Hainburg sollte eine Fachhochschule mit Spezialisierung Biotechnologie sein – diese sollte auch eine Pharmakonzerns-Neuansiedelung in der Nähe unterstützen. „Ein FH Campus mit Schwerpunkt Biotechnologie wird 480 Studienplätze bieten. Dort sollen unter anderem Fachkräfte für die Standorterweiterung des Pharmakonzerns Boehringer-Ingelheim in Bruck ausgebildet werden.“ [ https://www.meinbezirk.at/bruck-an-der-leitha/c-lokales/hainburg-bekommt-fh-campus-und-gymnasium_a5820895 ].
Im Jänner – Februar 2023 wurde in mehreren Medien ein Bildungscampus (FH) und ein Gymnasium angekündigt [ https://kurier.at/chronik/niederoesterreich/neues-gymnasium-und-fh-campus-in-hainburg-geplant/402295823 ]. Zu diesem Zeitpunkt wurde nur Bildung ohne andere Nutzungen bekanntgegeben. Wie man in diversen Berichten sieht, hätten beide Bereiche Kasernenareal und Exerzierplatz zur Gänze genutzt (bebaut) werden sollen.
Abb. FH-01

[Illustrationsfoto aus diversen Medien, Jän-Feb 2023]
Anfang September 2023 konnte man nach Kundmachung in dem öffentlich zugänglichen Entwurf des Örtlichen Raumordungsprogramms (ÖROP) [örtliches Entwicklungskonzept (ÖEK) und Flächenwidmungsplan (FWP) 2023] ablesen, dass nach Konkretisierung des Vorhabens weitere Nutzungen hinzu gekommen sind: Bereich BKN-5,0-A1 auf dem Kasernenareal mit öffentlichen Gebäuden, Versammlungsstätten, Wohngebäuden, Betrieben [ÖEK+Flächenwidmung 2023: s.1_43] sowie die s.g. Konversionsfläche auf dem Exerzierplatz, welche „für die kommenden Baulanderweiterungen verwendet werden [kann]“ [ÖEK+Flächenwidmung 2023: s.1_31]. Von Widmungsflächen her wurde das Verhältnis von Bildungsstätten (Gymnasium, FH, Kindergarten) zu anderen Nutzungen (öffentliche Gebäude, Wohngebäude, Betriebe, Konversionsfläche) gegenüber der Variante vom Jänner 2023 auf ca 9:8 aktualisiert (rund 40 800 m² : 36 700 m²).
Abb. FH-02

[ ÖEK+Flächenwidmung Sept 2023: 2_43 (Stellungnahme Geologie s.1)]
Mitte September 2023 kam eine überraschende Nachricht, dass das Unternehmen Boehringer-Ingelheim in Bezirk Bruck a.d. Leitha nicht investieren wird. „Es hätte das größte Ansiedelungsprojekt in der Geschichte Niederösterreichs werden sollen. Hätte werden sollen. Denn das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim wird sich nun doch nicht im niederösterreichischen Bezirk Bruck an der Leitha ansiedeln.“ [ https://www.krone.at/3110930 ].
Im November 2023 ist zu dieser strategischen Investition in fachlicher Stellungnahme angeführt, dass auch der Wegfall der Ansiedelung des Unternehmens Boehringer-Ingelheim „keine Einwände hinsichtlich des Bedarfes an der [bereits] geplanten Widmung Bauland-Sondergebiet-Bildungscampus (d.h. FH) [darstellt]“ und dass „diese Widmung keine Ausbildung [Bildungeinrichtung..] für ein bestimmtes Unternehmen oder bestimmte Fachrichtung festlegen würde.“
[Stellungnahme der Sachverständigen für Raumplanung und Raumordnung Nov. 2023 (wie im Email vom Vertreter der NÖ Landesregierung, Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht im Jänner 2023 vermittelt )].
Diese Aussage stimmt auch mit der Meinung manchen Vertreter überein, die betonen, dass am Vorhaben BIOTECH-CAMPUS HAINBURG weiter festgehalten wird, da die „in der Region ansässigen Biotech-Firmen wie Takeda und Pfizer großen Bedarf an Fachkräften im Bereich der Biotechnologie haben“ so Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
[ https://www.krone.at/3110930 , Abs 6 „Schmerzhafter Warnschuss“]
Die nachträglichen Stellungnahmen, bzw. medialen Äußerungen widersprechen jedoch der ursprünglichen Begründung vom Anfang September 2023 _ Flächenwidmungsdokumentation, Rechtliche Grundlagen, Änderungsanlass, v.a. in der Begründung 2:
Begründung 1: „Grundlegend für die gegenständliche Änderung ist die Umsetzung der für das Kasernenareal verordneten ÖEK-Realisierungsbedingungen (siehe 4.1.1)**. Die gegenständlichen ÖROP-Änderungen* im Bereich des Kasernenareals werden somit gemäß 25 (1) Z.5 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 mit einer Verwirklichung der Ziele des Entwicklungskonzeptes begründet.“
Begründung 2: „Zusätzlich können die ÖROP-Änderungen* mit einer wesentlichen Änderung der Grundlagen begründet werden – Hainburg a.d. Donau wurde als neuer FH Standort gewählt, da in Bruck a.d. Leitha eine Biopharmazeutische Anlage gebaut wird und nun für `die größte Betriebsansiedelung in der Geschichte Niederösterreichs` Fachkräfte ausgebildet werden sollen“.
[ ÖEK+Flächenwidmung Sept 2023: s.1_42b; Erläuterungsbericht, 5.2.1 Rechtliche Grundlagen, Änderungsanlass (s.42) ].
* ÖROP = Örtliches Raumordnungsprogram – Örtliches Entwicklungskonzept (ÖEK) und Flächenwidmungsplan 2023
** Zu Begründung 1, laut 4.1.1 Erläuterungsbericht Änderung ÖROP, Seite 34, wird folgendes angeführt. Örtliches Entwicklungskonzept 2012, Realisierungsbedingungen:
„Künftige Entwicklungen sind an ein Nutzungskonzept entsprechend den Zielen der Gemeinde zu koppeln. Dabei ist auf topographische naturräumliche Gegebenheiten Bedacht zu nehmen. Bei der künftigen Nutzung ist eine Multifunktionalität durch eine ausgewogene Nutzungsdurchmischung (Wohnen, öffentliche Einrichtungen, Dienstleistungen…) im Hinblick auf eine nachhaltige Stärkung des Stadtzentrums anzustreben.“ [ÖEK+Flächenwidmung 2023: s.1_34]
Erläuterungsbericht Änderung ÖROP, 4.1.1, Seite 35, ÖROP-Verordnung 2023, Punkt 3:
„– Erhaltung bzw. Ausbau Bildungs- und Erziehungseinrichtungen.“ [ÖEK+Flächenwidmung 2023: s.1_35]
Die gewünschte Nutzungsmischung auf dem Kasernenareal laut altem Entwicklungskonzept 2012 kann man eventuell nachvollziehen (Wohnen + Arbeit). Den Ausbau von Bildungseinrichtungen laut Verordnung 2023 muss man aber mit Vorsicht nehmen – die Entfernung vom Zentrum (Wienerstraße / Hauptplatz / Ungarstraße) beträgt mehr als 500 Laufmeter, Höhenunterschied ist knapp 40 m. Es ist nicht eindeutig, dass Bildungseinrichtungen in dieser Lage das Stadtzentrum stärken werden. Man merkt schon bei der jetzigen Neuen Mittelschule (ca 400 Laufmeter und 20 Höhenmeter vom Hauptplatz / Bushaltestelle), dass ein erheblicher Teil der Schüler eher mit Elternautos ankommt.
Abb. FH-03

[gezeichnet anhand ÖEK+Flächenwidmung Sept 2023: 9-Anhang_01-Flächenwidmung, 9_02-Entwurf Lageplan, 3_45-Visualisierung Bebauungsstudie; Höhen: laut NÖ Atlas]
Des Weiteren soll man eine sehr sparsame Anbindung an das bestehende Straßennetz in Betracht nehmen. [siehe diese Webseite, Fakten und Zahlen, Verkehr, Abb.06]
Der Rest der Begründung 1 ist leider nicht eindeutig nachvollziehbar.
Resümee
Es wird befürchtet, dass nach der Umwidmung des Kasernenareals eventuell gar keine Fachhochschule kommt, wenn nicht genügend Bedarf seitens Pharma-Branche besteht. Auf dem Gebiet des Kasernenareals drohe unter eventuell neu aktualisierten ökonomischen Bedürfnissen eine Verbreitung des Gebietes Bauland Kerngebiet BKN-5,0-A1 (öffentliche Nutzung, Wohnen, Betriebe) auch auf das Gebiet mit Widmung BildungsCampus (FH), und das in extremer theoretischer Dichte mit Geschossflächenzahl GFZ 5,0 (gesamte Gebäudeflächen machen das 5-fache! des Grundstückes aus***). Wenn in evtl. neu aktualisierter Situation auch der Raumordnungsvertrag die Gültigkeit verlieren würde (Begrenzung der BruttoGeschoßfläche am Kasernenareal und Exerzierplatz auf 80 000 m² [ÖEK+Flächenwidmung 2023: s.1_44b] ), wird die theoretische Dichte tatsächlich auch möglich – dies würde für den Stadtkontext extreme Bauvolumen bzw. Bauhöhen*** bedeuten. Die einmal bewilligte Bebauungsdichte nachträglich `herunter zu schrauben` passiert sehr selten und setzt das Einverständnis des Grundbesitzers voraus.
In der Freigabebedingung 1 für die Aufschließungszone BKN-5,0-A1 [ÖEK+Flächenwidmung 2023: s.1_44] wurde im Sept 2023 zwar im Bereich der Widmung Bildungscampus „die Fertigstellung einer oder mehrerer Fachhochschulen und Vorlage von Mietverträgen“ als Bedingung verankert, jedoch war in der Gemeinderatsitzung im Sept. 2024 bereits die Rede auch von s.g. Co-Working Spaces (neue Nutzung).
***Bsp.: Mit GFZ 5,0 können auf einem 1000 m² Grundstück 5000 m² an oberirdischen Geschoßflächen gebaut werden!
Dies entspreche 5-facher Stapelung von der gesamter Grundstücksfläche `vom Rand zu Rand` (5 Stockwerke inkl. EG). Da normalerweise Abstände zur Grundstücksgrenze üblich sind und das Gebäude meist eine beschränkte Tiefe hat (Belichtung der Räume), bleibt schätzungsweise mindest 50%, d.h. ½ des Grundstücks frei/unbebaut. Die Geschossflächen müssen sich auf halbierten Gebäudegrundriss verteilen, somit verdoppeln sich die Stockwerkzahl, bei GFZ 5,0 auf 10 Stockwerke inkl. EG.
Abb. FH-04

[gezeichnet anhand ÖEK und Flächenwidmungsplan 2023: s.3_45 (Strategische Umweltprüfung, Visualisierung Bebauungsstudie Kasernenareal 2023)]
Empfehlung
Es wäre daher am besten, transparent von Anfang an die Bebauungsdichte am Kasernenareal auf eine realitätsnahe Größe zu reduzieren. Das Stadtbild unter dem Schlossberg ist derzeit von zwei markanten Stadttürmen geprägt (Halterturm/Schützenturm östlich und MarcAurelius-Kaserne-Turm/ Uhrturm westlich) – der Halterturm ist ca 20 m hoch, also gegenüber dem Gelände des Kasernenareals um ca 1/3 niedriger. Eine Geschoßflächenzahl GFZ 1,5-2,0 (schätzungsweise bis 3-4 oberirdische Geschoße, Höhe ca 10,5-14m; eventuell Steildach dazu) wäre für die Bebauung im lokalen historischen Kontext wohl ausreichend.
Unsere Arbeitsgruppe pocht darauf, für jede Bildungseinrichtung immer erst den Leerstand / Bestand, vor allem im Stadtkern anzuschauen. Im Moment gibt es z.B. die ganz neu sanierte Wasserkaserne (bei-m Wasserturm), welche derzeit nur mit ca 20 % benutzt wird.
DI Peter Sedlak / Gruppe Bildung im Bestand Oktober 2024 Hainburg an der Donau
Quelle [ÖEK+Flächenwidmung 2023] : hier wird bezogen auf
Änderung des örtlichen Raumordnungsprogramms – Örtliches Enwicklunskonzept und Flächenwidmungsplan vom September 2023