„Erst wenn der letzte Baum gerodet…“
oder
Warum Bodenversiegelung auch in Hainburg an der Donau verhindert werden sollte
Klimawandel – ein Problem für alle Menschen
Erwachsene sind schnell dabei, junge Menschen, die sich auf die Straße kleben, als „Klimaterroristen“ abzuwerten, wenn sie im Stau stehen und zu spät zur Arbeit kommen. Doch ein genauerer Blick kann hier hilfreich sein, denn der Klimawandel beschäftigt nicht nur die paar wenigen mit dem Klebstoff an den Händen. Er ist, so kommen unterschiedliche Studien zum gemeinsamen Ergebnis1, hinter der Angst vor Krieg auf Platz zwei der Sorgen der Jugendlichen. Erstaunlich ist dabei, dass sich der Klimawandel vor dem Beginn des Ukraine-Krieges auf Platz eins befand – und zwar auch während der Coronapandemie.
Wir täten gut daran, die Sorgen der Jugendlichen ernst zu nehmen. Psychische Erkrankungen sind unter Jugendlichen explosionsartig angestiegen, die Kinder- und Jugendlichenpsychiatrieplätze sind voll belegt. Auch der Drogenkonsum gerade unter jüngeren Jugendlichen ist erschreckend stark angestiegen2.
Jugendliche erleben eine Hilflosigkeit, wenn es um den Klimawandel geht, weil die Älteren unbeirrt so weitermachen wie bisher. Viele von ihnen haben verstanden, was die Erwachsenen nicht verstehen wollen – dass der Klimawandel nicht nur für die Umwelt und die Artenvielfalt ein Problem werden wird, sondern durch enorme Völkerwanderungen und Verteilungskämpfe auch eines für die Menschen.
Unsere Steuergelder tanzen im Kreis
Man kann es sich kaum vorstellen: Jeden Tag wird in Österreich eine Fläche von etwa 18 Fußballfeldern verbaut, davon ca. 41% versiegelt. Einkaufszentren, Parkplätze, neue Industrie- und Wohnviertel: 18 Fußballfelder. Österreich liegt damit in Europa ganz vorn. Dass es so nicht ewig weitergehen kann, sollte wohl auf der Hand liegen. Geht es so weiter wie bisher, so Bundesministerin für Klima Leonore Gewessler, wird bis zum Jahr 2050 eine Fläche doppelt so groß wie Vorarlberg versiegelt werden3. Vergessen wir nicht: Wir brauchen intakten Boden auch, um Essen anzubauen. Sich von einer autonomen Selbstversorgung zu entfernen, bringt große Gefahren mit sich. Geld, um auf die Überschrift Bezug zu nehmen, kann man eben nicht essen.
Die Niederösterreichische Landesregierung scheint dies erkannt zu haben, wurde doch der „Blau-Gelbe Bodenbonus“ zur Verfügung gestellt: Ein Topf von 6 Millionen Euro, aus dem Gemeinden noch bis 2025 Bodenversiegelung im Ort – so gut es eben geht – rückgängig machen können4. Gleichzeitig wird versiegelt, was das Zeug hält: Man tanzt auf zwei Hochzeiten gleichzeitig. Und unsere Steuergelder tanzen auch, nämlich im Kreis.
Bodenversiegelung- einfach rückgängig machen?
„Was ist nun an Bodenversiegelung so dramatisch? Ist Hainburg wirklich für den weltweiten Klimawandel mitverantwortlich? Das kann doch nur ein Witz sein – im Vergleich zu anderen Ländern ist der Umweltschutz doch weit fortgeschritten? Geht hier nicht Wirtschaftlichkeit vor? Man kann doch eh wieder entsiegeln?“ So mag manch einer denken. Aber so einfach ist das alles leider nicht…
Auch wenn ein „Blau-Gelber Bodenbonus“ etwas anderes suggerieren möchte – Bodenversiegelung ist so gut wie nicht vollwertig rückgängig zu machen. Ist die Asphaltdecke einmal geschaffen, ist etwas zerstört, was sich über Jahrtausende entwickelt hat. Boden ist dabei kein totes Material zum Draufherumflanieren: In einer Handvoll Erde befinden sich mehr Organismen als Menschen auf der Erde wohnen! Mit einer Schicht Asphalt und dem Ende der Versickerung von Wasser wird den kleinen Bewohnern das Licht abgedreht: Die Bodenfruchtbarkeit ist beendet. Und selbst nach einer Entsiegelung, die übrigens aufwändig und teuer ist, bleibt die natürliche Bodenstruktur auf sehr, sehr lange Zeit gestört – um einen einzigen Zentimeter Humus wiederherzustellen, braucht es 100 bis 200 Jahre!
Klimaveränderung – direkt und spürbar in Hainburg
Boden hat vielfältige Funktionen. Er ist Anbaufläche für unsere Nahrung, er filtert Staub aus der Luft, er speichert Wasser, er hat eine klimatische Ausgleichsfunktion – auch im Kleinen.
Es geht nicht nur um das große, globale Klima. Sich herauszureden damit, dass nun Hainburg nicht für das Gesamtklima der ganzen Welt verantwortlich sein könne und dass Wirtschaftlichkeit vorgehe, ist zu kurz gegriffen, denn auch in Hainburg wird das Mikroklima durch die Bodenversiegelung verändert werden. Versiegelte Flächen führen zu einem messbaren Anstieg der lokalen Temperaturen. Sie können kein Wasser verdunsten und tragen im Sommer nicht zur Kühlung der Luft bei. Böden und Pflanzen speichern große Mengen Kohlendioxid und stabilisieren damit das Klima, versiegelte Flächen heizen sich auf. Weiters steigt die Feinstaubbelastung, weil Pflanzen die Luft nicht mehr aus der Luft filtern.
Noch vor wenigen Jahren einigte sich die Gemeinde Hainburg darauf, dass „die grüne Lunge“ Hainburgs nicht bebaut werden darf – und das parteiübergreifend5. Recht hatten sie.
Das Problem mit dem Wasser…
Versiegelter Boden kann kein Wasser aufnehmen. Gleichzeitig nehmen Unwetterlagen zu, es kommt vermehrt zu Starkregen und Überflutungen. Wiesen, auf denen das Wasser zur Not auch stehen kann, bevor es versickert, bleiben nun einmal der beste Schutz vor Hoch- und Hangwassergefahren6. Die Gefahr solcher Überschwemmungen (wie wir sie zum Beispiel 2023 in der Steiermark erlebt haben) ist auch der geänderten Klimalage in Österreich zuzuordnen und eindeutig menschengemacht. Zudem steigt auch die Grundwasserbelastung, weil Schadstoffe nicht mehr durch den Boden gefiltert werden.
…und die Tiere?
Doch das Klima und die Gefahr von Wasserschäden sind nicht die einzigen Schatten, die auf die Verbauung des Exerzierplatzes fallen. Zu Recht machen die niederösterreichischen Grünen darauf aufmerksam, dass der Ort zu nah am Naturschutzgebiet liege und sogar teilweise Schnittmengen aufzeige7. Das Schutzgebietnetz „Natura 2000“ soll die natürlichen Lebensräume in Europa dauerhaft schützen. Einige Landschaften Hainburgs wurden dabei unter zahlreichen Richtlinien als prioritär zu schützende Lebensraumtypen eingestuft – wohl nicht ohne Grund.
Wo jetzt in der Schlossbergstraße noch Schilder stehen, man solle vorsichtig fahren, weil Rehe die Fahrbahn kreuzen könnten, wird mit der Verbauung der Verkehr so zunehmen, dass diesen ihr Weg abgeschnitten ist. Jede Verbauung entzieht unzähligen Organismen, Insekten und (in unserem Fall) auch größeren Tieren den Lebensraum.
Auch die sich verändernden Lichtverhältnisse werden einen Einfluss auf das Naturschutzgebiet haben. Die jetzt nicht beleuchteten Flächen, die in Hainburg bebaut werden sollen, werden heller Beleuchtung weichen. Es ist gut belegt, dass künstliche Lichtquellen weitreichende Folgen nicht nur für Vögel (insbesondere Meisen) und Insekten aller Art heben, sondern auch für Pflanzen: Laubbäume beispielsweise verlieren später ihre Blätter und sind so anfälliger für Frostschäden.
Dabei sitzen wir auf dünnem Eis, wenn man sich die in den letzten Jahren stark abfallende Artenreichtumskurve ansieht. Seit 1986 ist etwa 70% der Pflanzen- und Tierartenvielfalt verlorengegangen. Und niemand kann vorhersagen, was passiert, wenn eine Vielzahl an Arten ausstirbt – das Miteinander der Tier- und Pflanzenwelt ist so verzahnt, dass niemand weiß, ab wann ein Ökosystem kippt. Wir mögen noch ein wenig entfernt davon sein, aber dass sich Jugendliche sorgen, sollte wohl als verständlich eingestuft werden.
Schluss mit Bodenversiegelung! Leerstand nutzen!
Es bleibt nun einmal Fakt: Bodenversiegelung mutet an wie aus der Zeit gefallen. Kurzfristig mag die Wirtschaft blühen, wir freuen uns über kürzere Wege zum nächsten Billa oder über die neue Wohnung. Langfristig überwiegen die Nachteile gravierend, und das nicht nur global betrachtet, sondern auch konkret und direkt in Hainburg.
Was ist nun also die Lösung, wenn wir beides wollen, ein Gymnasium und einen Lebensraum, in dem wir nicht bei über 40 Grad den überfluteten Keller leerpumpen müssen?
Die Lösung lautet: Den Leerstand nutzen. Mindestens 40 000 Hektar, also etwas weniger als die Fläche Wiens, machen Schätzungen zufolge leerstehende und ungenutzte Gedäudeflächen in Österreich aus. Hainburg ist voller leerstehender Gebäude. Wir brauchen nur etwas Kreativität und den Mut, nach vorne in eine lebenswerte Zukunft zu schreiten. Und das ginge am besten gemeinsam.
Mag. Annika Waldhaus April 2024 Wien
Zum Weiterlesen…
Auch für Laien verständlich erklärt der Student der BOKU Wien Florian Lindtner die Folgen von Bodenversiegelung:
https://www.tuwien.at/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=165018&token=7d1f3ef1df5a6a4740fd9718eed1aec9acfc8a27
Klimawandel – ein Problem für die Menschheit: https://www.derstandard.at/story/1740941/klimawandel-loest-voelkerwanderung-aus https://oe1.orf.at/programm/20240120/746572/USA-Anstieg-des-Meeresspiegels-zwingt-zur-Umsiedlung
4) https://www.noe.gv.at/noe/Wasser/Blau-Gelber_Bodenbonus.html
5) Den Artikel von 2009 finden Sie in den Presseunterlagen auf dieser Homepage.
6) Siehe dazu https://www.profil.at/faktiv/verursacht-die-bodenversiegelung-mehr-ueberschwemmungen/401448991