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Aufgrund der bereits spürbarer Belastung vor allem auf der Bundesstraße B9 (regelmäßige Staus) und dadurch deutlich verschlechterte Luft- sowie Raumqualität in der Stadt ist (Auto-)Verkehr in Hainburg ein intensiv diskutiertes Thema.

Die Verkehrsplanung heißt dabei nicht nur motorisierter Verkehr sondern auch Fußweg- und Radwege-Planung. Für die Vitalität der Stadt sind vor allem die Fußgänger essentiell. Die Stadt der kurzen Wege, bekannt seit den 80er Jahren, gewinnt an Gewichtung mit letzten Jahren wo bedeutende Beispiele zeigen, wie eine Entschleunigung v.a. in Ortskeren wichtig ist – die Aufwertung spiegelt sich in der (lokalen) Wirtschaft, das Mikroklima verbessert sich, die Stadtbewohner sind in der Stadt gerne unterwegs – die Stadt lebt. Kompakte, multifunktionale und gut „durchblutete“ Stadtzentren sind dann attraktiv auch für Gäste von außen.

Leitbild der Stadt der kurzen Wege ist ein Ort, wo „die Fußgängerfreundlichkeit erhöht und somit der Verkehr vermieden werden kann, indem solche Bedingungen geschaffen werden, dass räumliche Distanzen zwischen Wohnen, Arbeit, (Nah-)Versorgung, Dienstleistungen, Freizeit- und Bildungsorten gering sind.“ „Als angestrebtes Ergebnis sollte es möglich sein, dass anteilig mehr Fußgänger-, Radfahr- oder öffentlicher Personennahverkehr und weniger motorisierter Individualverkehr stattfindet.“

[Wikipedia: Stadt der kurzen Wege, https://de.wikipedia.org/wiki/Stadt_der_kurzen_Wege ].

Distanzen - der öffentliche Verkehr gilt auch der Fußgeher-Planung

Die Menschen bewerten Distanzen nicht nach tatsächlich gemessener, sondern nach empfundener Zeit. Die kurzen Wege bis 200 m sind noch als ca 200 m wahrgenommen. Bei 300 m ist die durchschnittliche Empfindung die doppelte Zeit als die tatsächliche Dauer des Fußweges. Mit der Entfernung von 600 m ist die subjektiv empfundene Zeit bereits 6-mal länger als die tatsächliche! Wenn andere Möglichkeiten vorhanden sind (Auto) senkt die Akzeptanz, diesen Weg zu Fuß zu gehen, erheblich…

Die Wahrnehmung beeinflussen natürlich mehrere Parameter (v.a. Umgebungs-Attraktivität), es läßt sich aber ableiten, dass zu Fuß zurückzulegende Distanzen ab 700m nur noch gering akzeptiert werden.

Abb. VER-01,02

[Beitrag beim Infoabend Bildungscampus, Hainburg, Dez 2023: Impuls Mobilität _DI Dr Harald Frey, Institut für Verkehrswissenschaften, TU Wien]

Von der Entwicklung her wurde Hainburg als Grenzstadt und strategisch auf der engsten Stelle zwischen der Donau und dem Schlossberg bzw. Braunsberg und Hundsheimerberg gegründet. Das Gelände steigt – mit Ausnahme der historischen „unteren Terrasse“ innerhalb der nördlichen Stadtmauern – stetig bis zur Burg auf dem Schlossberg auf. Von dem Hauptplatz bis zum Fuß des Schlossbergs (wo der Bildungscampus geplant wird) sind es ca 40 Höhenmeter, von dem Donauufer (Personenbahnhof) ca 60 Höhenmeter [NÖ Atlas: Höhenangaben]. Es scheint notwendig, in Hainburg zu den Distanzen immer auch die Höhenunterschiede in Betracht zu nehmen.

Erreichbarkeit - mit dem öffentlichen Verkehr besser als mit dem Auto?

Die ÖBB-Züge stellen mit dem 1-stündigem (bzw.1/2-St) Takt das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs Hainburgs. Für das geplante Gymnasium sowie die Fachhochschule sind die Bahnhöfe somit die Basisausgangspunkte. Die Busse verkehren in deutlich sparsamerem Takt   [ÖEK+Flächenwidmung Sept 2023: s.5_11].

Abb. VER-03

[gezeichnet anhand Örtliches Entwicklungskonzeptes und Flächenwidmungsplans Sept 2023: 9-Anhang_01; Zeitaufwand der Wegen lt. Messung sowie www.alpenverein.at]

Es ist zwar angeführt, dass „die Bahnhöfe Hainburg an der Donau Personenbahnhof (Teil West) und Hainburg an der Donau Ungartor (Teil Ost) vom geplanten Standort jeweils fußläufig in rund 10 Minuten erreichbar sind“   [ÖEK+Flächenwidmung Sept 2023: s.3_21b,s.5_11b]   , tatsächlich sind die Strecken aufgrund Entfernung von 740 bzw 830 m und Höhenunterschieden von 30 bzw 60 m jedoch erst in 12 bzw. 16 Min zurückzulegen  [eigene Messung, Wanderweg- inkl. Höhenberechnung Alpenverein.at (1Hm = ca 10Lm), Wanderwegplanung Bergfex App].

Gemäß der Verkehrsuntersuchung wird die „Einführung eines Stadtbusses zwischen den Bahnhöfen und Anbindung des geplanten Standorts nicht empfohlen“  [ÖEK+Flächenwidmung Sept 2023: s.5_75].   

Eine massive Unterstützung durch Fahrräder / Elektroscooter ist vorgesehen   [Gespräch mit Halpin GmbH, Apr 2024]   , es besteht jedoch die Befürchtung, dass mehr Schüler als erwartet letztendlich mit dem Auto / in Fahrgemeinschaften ankommen werden. Die Busse (274, 275) sowie die Bahn (S7, REX7) decken die Distanz zum Bildungsort leider nicht. Kritisch sieht die Lage sowohl die Verkehrsuntersuchung als auch der Vertreter von Verkehrsbund Ost (Stellungnahme der VOR): „Sowohl die Größenordnung (Anstieg der Einwohner, Zunahme der Arbeitsplätze…), als auch die räumliche Situierung (abseits der bestehenden Bahn- und Bushaltestellen…) der beabsichtigten zusätzlichen Nutzungen verlangen eine massive Erhöhung des derzeitigen ÖV-Angebotes…“   [ÖEK+Flächenwidmung Sept 2023: s.2_53b].

Auch wenn nur die Hälfte von ca 1300 Gymnasiasten und Fachhoch-Studenten pendeln (nicht im Studentenheim / Hainburg wohnen), muss man mit einem gewissen Auto-Anteil rechnen. Neben den Studierenden gibt es auch Personal, Lehrpersonal und schließlich die neuen Einwohner / Beschäftigten vom Bereich Bauland Kerngebiet BKN-5,0-A1. Der Autoverkehr in Hainburg ist dabei an manchen Stellen bereits jetzt am / bzw. über dem Limit.

Mögliche Einwirkungen des individuellen Verkehrs.

Abb. VER-04

[Örtliches Entwicklungskonzept und Flächenwidmungsplan Sept 2023: s.5_14]

An den Kreuzungen B9 Landstraße / Hummelstr. (A) und B9 Pressburger Str. / Hofmeisterstraße (D) wurden in den Spitzenstunden morgens/nachmittags im Jahr 2023 Grenzwerte festgestellt. Diese Lage wird sich laut Prognose der Verkehrsuntersuchung mit dem Bildungscampus während der Bauabschnitte 2027, 2030, 2033 noch verschlechtern.

Abb. VER-05

[Örtliches Entwicklungskonzept und Flächenwidmungsplan Sept 2023: s.5_27, 5_49, s.5_29, 5_61b]

Für die westliche Stelle vor dem Wienertor (A), auf der B9 in Richtung von Westen nach Osten mit der jetzigen vollen Sättigung (100%) wird für 2033 eine spürbare Überlastung (134%) mit Staulänge bis ca 90 m prognostiziert.

Für die östliche Stelle bei Penny (D), in der Hofmeisterstraße für Linksabbieger mit jetziger Überlastung (127%) und Staulänge bis ca 160 m wird für 2033 eine erhebliche Überlastung (360% !) mit Staulänge bis ca 506 m prognostiziert. Gegen diese Auswirkungen gibt es im Moment keine bekannten Maßnahmen.

Anmerkung: von eigenen Beobachtungen ist vor dem Wienertor ab 2022 tagsüber eine permanente Ampel-Warteschlange, zu Spitzenzeiten regelmäßig bis 300m lang (bis zu Wilhelm-Schloss-Gasse) zu beobachten. Laut Verkehrsgutachten ist hier zu Spitzenzeiten derzeit eine (nur) 100%-ige Sättigung (d.h. keine Stau…).

Vernetzung mit bestehenden Stadtgebieten

Für das neue Quartier mit städtebaulich eher aktiver Funktion Bildung sowie öffentlichen Diensten und Betrieben ist eine gute Anbindung an die bestehende Stadtstruktur sehr wichtig. Eine s.g. Durchsickerung ist notwendig um die Stadtteile zu verbinden – ein gutes Straßennetz erlaubt einen lebendigen Austausch und flexible Nutzungsanpassungen auf lokaler Ebene. Im Fall von Kasernenareal und Exerzierplatz muss man feststellen, dass die Anknüpfungsstellen an die Stadt eher sparsam vorhanden sind – entlang der Längsseiten befinden sich südlich der Schlossberg und Wald, im Norden bilden die (Zwischen-)Stadtmauer bzw die Friedhofsmauer eine Abgrenzung. Die einzige Verbindungen im Norden sind die starken „Vertikalen“ Freiungsstraße und eher nur Entlang der Stadtmauer geführter Fußweg Am Stadtgraben (Richtung Ungartor). Der evtl. Anschluß an die Untere Berggasse könnte nur über private Grundstücke erfolgen – von der Flächenwidmungsdokumentation ist es unklar, ob solche Anbindung geplant / möglich ist. Die Kurze Gasse befindet sich am östlichen Rande des Gebietes.

Abb. VER-06

[gezeichnet anhand Örtliches Entwicklungskonzeptes und Flächenwidmungsplans Sept 2023: 9-Anhang_01 sowie dem Bestand der Stadt]

Die „horizontale“ Erschließung erfolgt in der Ost-West Richtung: im Westen mit Anknüpfung an die Hummelstraße und im Osten an die Schlossbergzeile. Der motorisierter Verkehr (Auto, Taxi, Bus) kann eher nur an diesen 2 Knoten anschließen (die Entfernung entlang der Campus-Längsachse ist 600m !)…

Eine Alternative wäre, am Fuße des Schlossbergs ein eher ruhiges Wohnquartier / evtl. leicht gemischt mit anderen Nutzungen inkl. Wohnstrassen zu verwirklichen, wo eine gewisse „Isolation“ nicht von großer Bedeutung ist. 2015 war ein alternatives Konzept in dieser Richtung vorhanden.

Abb. VER-07,08

[Örtliches Entwicklungskonzept und Flächenwidmungsplan Sept 2023: s.3_41 – Nutzungskonzept 2015]

Ein Donut-Effekt.

Man merkt in Regionen mit größerer Entwicklungsdynamik, dass dort Transformationsprozesse stattfanden, die nicht unbedingt ein Gewinn für die Ortschaft bedeuten… Primäre Investitionen in die Autoinfrastrukturen, Gewerbezonen in den Rändern, Verlagerung der Geschäftsflächen in diese Zonen, welche dann nur mit dem Auto erreichbar sind und weiteren Verkehr produzieren, finden im ganzen Österreich statt.

„In vielen Orten kann man einen s.g. Donut-Effekt erleben – eine Verdichtung an kommerziellen und anderen Aktivitäten am Siedlungsrand und ein Leerfallen der zentralen Orte und Plätze im Siedlungskern.“ [aus Beitrag beim Infoabend Bildungscampus, Hainburg, Dez 2023: Überlegungen zur Städtebau _Prof. Markus Tomaselli, Institut für Städtebau, TU Wien]. Vielleicht ist die Lage an der Peripherie des Siedlungsraumes für eine (Hochschul-)Einrichtung, die nach Möglichkeit fußläufig erreicht werden sollte, nicht die günstigste.

 

DI Peter Sedlak / Gruppe Bildung im Bestand                          August 2024                          Hainburg an der Donau

 

Quelle [ÖEK+Flächenwidmung 2023] : hier wird bezogen auf
Änderung des örtlichen Raumordnungsprogramms – Örtliches Enwicklunskonzept und Flächenwidmungsplan vom September 2023